Notwehr: Wie weit darf man gehen?
Ein verdächtiges Geräusch im Garten weckt Phillip S. aus dem tiefen Schlaf. Siehe da! Ein dunkler Schatten huscht durch den Garten. Ohne nachzudenken, holt Phillip S. sein 7-er Eisen aus der Golftasche. Er lauert dem Einbrecher neben der Tür zum Garten auf. Phillip hat Angst. Aber als die Tür aufgebrochen wird und ein großer, starker Mann mit dunkler Kleidung eintritt, zögert er nicht lange.
Am nächsten Morgen muss Phillip nicht nur einen Blutfleck aus dem Teppich schrubben, sondern auch seinen Rechtsanwalt kontaktieren. Der Einbrecher liegt mit schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Phillip wegen schwerer Körperverletzung.
Was ist Notwehr? Wann ist es Notwehr?
Geschichten wie diese von Phillip S. passieren leider nicht nur im Fernsehen. Keiner wünscht sich, in solch eine Situation zu kommen. Aber wie genau soll man sich im Ernstfall verhalten? Was ist erlaubt? Was gilt vor Gericht als unrechtmäßig? Heikle Fragen, auch für das Blaupunkt Competence Center Sicherheitssysteme. Wir haben für Sie einen juristischen Experten zum Thema befragt. Die Informationen haben wir hier für Sie zusammengefasst:
„Als Notwehr bezeichnet man die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen präsenten und rechtswidrigen Angriff von sich oder einer anderen Person abzuwenden. Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr entsteht, handelt nach §32 StGB nicht rechtswidrig.“
Sprich, wenn ich angegriffen werde, darf ich mich verteidigen. Was theoretisch sehr trivial und einleuchtend klingt, ist bei näherem Hinsehen dann doch etwas komplexer.
Wie prüft man Notwehr?
1. Es muss ein Angriff vorliegen.
Ein menschliches Verhalten muss vorliegen, das sich gegen ein geschütztes Rechtsgut richtet. Unter geschütztes Rechtsgut fallen: Leib, Leben, Eigentum und unter Umständen auch die Ehre einer Person. Der Einbrecher bei Philip S. war offensichtlich auf das Eigentum aus. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der Einbrecher dafür lebensbedrohliche Gewalt gegen Philip S. angewendet hätte.
2. Der Angriff muss gegenwärtig sein.
Dieser Zusatz betrifft den Zeitraum des Angriffs. Eine Verteidigung gilt nur dann als Notwehr, wenn diese während des anhaltenden Angriffs stattfindet oder unmittelbar vor einer realen Bedrohung passiert. Ist der Angriff bereits abgeschlossen, ist eine Verteidigung juristisch gesehen keine Notwehr, sondern ein Racheakt. Hätte Phillip S. den Täter von hinten bei der Flucht (ohne Beute!) geschlagen, dann hätte sich Phillip S. definitiv strafbar gemacht. Eine Flucht mit Beute würde weiterhin als Angriff auf das Eigentum zählen.
3. Die Verteidigungshandlung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Angriff stehen.
Grundsätzlich gilt: Je milder das Mittel, sich zu schützen, desto eher gilt es als Notwehr. Die Frage lautet dann: Wäre ein milderes Mittel ausreichend gewesen? Wenn ja, dann hätte dieses Mittel gewählt werden müssen!
4. Die Flucht eines Angegriffenen ist grundsätzlich nicht zuzumuten.
Vermutlich ist Flucht in den meisten Fällen die empfehlenswerteste Variante, um sich zu schützen. Aber kann man Phillip dafür verurteilen, dass er versucht hat, sein Hab und Gut zu verteidigen, statt direkt aus dem Haus zu flüchten? Nein, in diesem Punkt hat er wohl im Sinne einer Notwehrsituation nicht falsch gehandelt.
Welche Situationen sind also rechtswidrig?
Wer die Grenzen der Notwehr überschreitet, handelt rechtswidrig. Manche Situationen sind eindeutig: Ein Hauseigentümer erschießt einen Einbrecher, obwohl ein Schuss in die Luft ausgereicht hätte. Das ist eindeutig rechtswidrig. Ausnahme: Ist die Notwehr auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken zurückzuführen, so wird der „Täter“ nach § 33 StGB nicht bestraft. Phillip S. könnte sich vor Gericht dementsprechend auf seine nachvollziehbare Angst berufen.
Wie weit geht Notwehr und wie weit darf Phillip S. gehen?
Gegen eine Auslegung als Notwehr sprechen folgende Argumente:
Es gab keinen Hinweis darauf, dass der Einbrecher bewaffnet und das Leben von Phillip S. real gefährdet war.
Die Härte des Schlags und die Wahl der Waffe waren dem Angriff eventuell nicht angemessen.
Zu guter Letzt hätte Phillip S. den Einbrecher vor seiner Verteidigung warnen können.
Für Phillip S. sprechen folgende Argumente:
Es lag ein offensichtlicher Angriff auf das Eigentum vor.
Die Bedrohung war gegenwärtig.
Es war nicht auszuschließen, dass auch das Leben und die Gesundheit in Gefahr waren.
Der Täter war ein kräftiger Mann, der offensichtlich bei vollem Bewusstsein war.
Die Situation war für Phillip S. mit großer Angst verbunden. Er hat also aus dem Affekt gehandelt.
Vermutlich wird Phillip S. aufgrund der klaren Bedrohung und der Handlung aus dem Affekt freigesprochen, aber das ist nicht sicher. Entscheidend wäre wahrscheinlich die Einschätzung der Angemessenheit der Verteidigung.
Wer entscheidet ob es Notwehr war?
Es handelt sich bei Notwehr um Ermessensentscheidungen. Am Ende bestimmen demnach die zuständigen Richter ob eine Notwehrlage tatsächlich vorhanden war und ob sich der Angegriffene mit angemessenen Mitteln verteidigt hat.
Was passiert wenn keine Notwehr vorliegt?
Das ursprüngliche Opfer wird zum Täter. Die Strafe richtet sich dabei nach der Schwere des Vergehens.
Wann ist Notwehr noch Notwehr? Zusammengefasst:
Es muss ein Angriff vorliegen.
Der Angriff muss gegenwärtig sein.
Die Verteidigung muss im Verhältnis zum Angriff stehen.
Die Flucht des Opfers ist nicht zuzumuten.
Riskieren Sie nichts!
Wir hoffen, dass Sie und Ihre Liebsten niemals in die Situation von Phillip kommen. Mit Ihrem zuverlässigen Sicherheitssystem für Ihr Zuhause minimieren Sie dieses Risiko. Aber für den Ernstfall: Nichts ist so wertvoll wie Ihr Leben. Bringen Sie zuallererst sich und Ihre Liebsten in Sicherheit! Schlagen Sie Alarm, rufen Sie die Polizei, aber riskieren Sie nicht Ihre Gesundheit, indem Sie den Täter konfrontieren! Damit laufen Sie auch nicht Gefahr, als Opfer selbst zum Täter zu werden.